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Marina Bobrik (Berlin) and Aleksej Gippius (Moscow)
In unserem Beitrag geht es um die altrussische Sprachsituation am Beispiel Novgorods – der wichtigsten Kultur- und Handelsmetropole des mittelalterlichen Russlands. Dank den besonderen Bodenverhältnisse des Novgoroder Gebiets konnten dort seit 1951 in präzedenzloser Anzahl (bis jetzt 1019) Texte auf Birkenrinde gefunden und erschlossen werden. Dieses Textkorpus – die Hauptquelle für die Erforschung des Altnovgoroder Dialekts in seiner schriftlichen Form – hat erlaubt, diese schriftliche Form als ein besonderes orthographisches System zu erfassen, das man als nicht-gelehrtes, »Alltagssytem« (rus. bytovaja sistema) bezeichnen kann. Es wurde erkannt, dass dieses System in der Zeit vom 11. bis 15. Jh. kein Spezifikum Novgorods war, sondern auch in anderen Gebieten Russlands Anwendung fand, aus denen allerdings nur spärliche Zeugnisse erhalten geblieben sind. Das »Alltagssystem«, das jeder Lesekundige beherrschte, steht im Altrussischen zwei anderen Idiomen gegenüber, nämlich 1) der von spezifischen dialektalen Merkmalen weitgehend freien altrussischen schriftlichen Koine und 2) dem gelehrten Kirchenslavischen in seiner altrussischen Redaktion. Die rekonstruierbare funktionelle Aufteilung der genannten drei orthographischen Systeme ist nicht rigide. Die tendenzielle Aufteilung sowie vor allem Schnittstellen und Überlappungen zwischen den drei Orthographien stehen im Mittelpunkt unseres Interesses.
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